Kopf des Monats - Juni 2022

"Mit den Zielen der dgh habe ich mich zum ersten Mal 1992 intensiv beschäftigt, nachdem ich den "kühnen" Entschluss gefasst hatte, mich als ostdeutsche Soziologin und Ökonomin auf den Lehrstuhl für Wirtschaftslehre des Privathaushaltes und Familienwissenschaft an der JLU in Gießen zu bewerben.  
Als ich zwei Jahre später meine wissenschaftliche Arbeit in Gießen aufnahm, war es für mich selbstverständlich, sofort Mitglied in der dgh zu werden. Ich habe in den Folgejahren einen intensiven Lernprozess im Wissenschafts- und Verbandsbetrieb durchlaufen. Auf den dgh-Jahrestagungen und in den Fachausschüssen gab es spannende fachliche Debatten mit Kolleg*innen und Mitarbeiter*innen der anderen hauswirtschaftlichen Standorte, aber auch mit bemerkenswerten Unterstützerpersönlichkeiten der Haushaltswissenschaften wie z.B. Herrn Ministerialrat Frank Bertsch. Die dgh bot zugleich einen Rahmen, um praxisrelevante Forschungsprojekte auf den Weg zu bringen und politikberatend tätig zu werden.
Von Beginn an hat mich dabei der Beitrag "Haushaltswissenschaft und Feminismus" der kanadischen Präsidentin des IVHW, Doris Badir, konzeptionell begleitet. (Hauswirtschaft und Wissenschaft  , 1992, 46. Jahrgang, Heft 4: 149-161.) Sie hatte dort programmatisch formuliert: "Was jetzt nottut ist, dass sich die Haushaltswissenschaft von der männlichen, einseitig (natur)wissenschaftlichen Problemorientierung löst und ihre Anhänger(innen) in feministische Erkenntnisweisen einführt."
Das habe ich immer so gesehen und versucht, beide Forschungsstränge zu integrieren, aber auch Akteur*innen dieser sozialen Bewegungen in Kontakt zu bringen. Ich bin dankbar und von Freude erfüllt, wenn ich sehe, dass viele meiner ehemaligen Schülerinnen heute genauso agieren. Allerdings haben wir es als Fachdisziplin nicht vermocht, den strukturellen Rückbau der Haushaltswissenschaften zu stoppen. Deshalb war die Gründung des Vereins "Wirtschaft ist Care e. V. Deutschland" im März 2022 folgerichtig."

Prof.in i. R. Dr. sc. oec. Uta Meier-Gräwe